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Staatsanleihemarkt: Hausse & Italien-Blues

Die Hausse bei Staatsanleihen war für viele Investoren bereits mit auskömmlichen Erträgen verbunden. Doch wie geht es in den kommenden Quartalen am Markt für Staatsanleihen weiter und welche Laufzeitenbereiche sind dabei zu präferieren? Während ein weiterer Renditerückgang zu erwarten ist, rücken mittelfristige Inflationstreiber wieder in Sicht. Neben diesen Aspekten werfen wir heute einen Blick nach Italien: Neben Risiken bietet das Land auch Chancen.

Zinsgipfel erreicht

Die vergangene Woche hat es überaus deutlich gemacht: Die großen Zentralbanken in der westlichen Hemisphäre diskutieren bereits jetzt über Zinssenkungsschritte in 2024. Die weltweit wichtigste Notenbank – die US-amerikanische Fed – hat auf ihrer geldpolitischen Sitzung Mitte Dezember verkündet, dass sie derzeit selbst drei Zinssenkungen für das kommende Jahr erwartet. Die Europäische Zentralbank und die Bank of England dürften in nahezu gleicher Größenordnung ihre Leitzinsen senken.

Renditestrukturkurven verschieben sich

Mit dem fortschreitenden Rückgang der Inflation und niedrigeren Inflationserwartungen beiderseits des Atlantiks sinken die sogenannten Laufzeitenprämien als Bestandteil der Staatsanleiherenditen. Ein weiterer zinsdämpfender Effekt für die Renditen besteht darin, dass die sogenannte Erwartungshypothese wirkt: Nach dieser ist der langfristige Zinssatz ein Durchschnitt der erwarteten künftigen kurzfristigen Zinsen. Da die kurzfristigen Zinsen (diese reagieren am sensibelsten auf die zukünftig sinkenden Leitzinsen) perspektivisch sinken dürften, „drückt“ dies auch auf die Renditen im längeren Laufzeitenbereich. Investoren können seit Mitte Oktober 2023 von einem sogenannten Bull-Flattening profitieren. Bei dieser Veränderung der Form der Renditestrukturkurve fallen die Renditen im mittleren und längeren Laufzeitenbereich stärker als am kurzen Ende. Wie starten wir nach dieser massiven Reallokation ins neue Jahr? Nachdem die Präferenz der Marktteilnehmer, sich die attraktiven Renditeniveaus langfristig zu sichern, dazu beigetragen hat, dass die mittleren und langfristigen Renditen in den Sinkflug übergegangen sind, dürfte das Tempo des Renditerückgangs zu Beginn des neuen Jahres abnehmen. Während der Markt derzeit sechs Leitzinssenkungen der Fed erwartet, prognostizieren wir „nur“ vier. In anderen Worten: die Markterwartungen sind hier unseres Erachtens zu weit vorgeprescht. Wenngleich der Inflationsrückgang insbesondere in den USA weitergehen dürfte, ist die US-Konjunktur zu resilient, um die eingepreisten Zinsschritte zu erklären.

Die Rallye am Staatsanleihemarkt hat Grenzen

Im Verlaufe des Jahres 2024 werden wohl vermehrt Faktoren in den Vordergrund rücken, welche unterstreichen, dass die Inflation ein wichtiger Faktor bleiben dürfte. Wir erwarten im Zuge dessen Phasen mit fallenden Staatsanleihekursen – sprich steigenden Rendite. Kurzfristig haben die vergangenen Tage gezeigt, dass die Rohölmärkte weiterhin sehr volatil sind. So könnten die höheren Frachtkosten durch die Krise im Suezkanal und auch die CO2-Preis-Erhöhung in Deutschland einen erneuten Impuls für breitere Preiserhöhungen geben. Zu den mittelfristigen Inflationstreibern, die unseres Erachtens weiterhin signifikant sind, gehören (i) die grüne Transformation, (ii) hohe Staatsausgaben, (iii) der Arbeitskräftemangel und (iv) die Demographie. Laut Berechnungen der Vereinten Nationen, wonach in den großen Volkswirtschaften das Wachstum der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter stagnieren oder sogar kräftig schrumpfen könnte, droht Inflation. Denn ohne einen Ausgleich durch ein entsprechendes Produktivitätswachstum wäre ein Konsumüberhang die Folge. Den relativ vielen, konsumierenden Rentnern stünden weniger Arbeitskräfte zwecks Produktion des nachgefragten Angebots gegenüber. Der strukturelle Arbeitskräftemangel in vielen Volkswirtschaften verstärkt an dieser Stelle zudem das Demographie-Problem. Die grüne Transformation gibt es nicht umsonst gibt. Ferner bereiten Staatsausgaben, partiell verstärkt durch geopolitische Konflikte (Stichwort Militärausgaben), den Boden für Inflationsdruck. Staatsanleihen der Industriestaaten bleiben 2024 also in unruhigem Fahrwasser. Die Rendite zehnjähriger US-Treasuries dürfte bis zum dritten Quartal 2024 nichtsdestotrotz die Marke von 3,75% und äußerst die 3,50% erreichen. Damit dominieren unseres Erachtens die kommenden Zinssenkungen der Zentralbanken. Der Weg für weitere Kursperformance im sichersten Investment-Vehikel der Welt ist also vorerst frei. Dies gilt erst recht bei aufkommenden Rezessionssorgen.

Fokus Italien: Risiken im Stiefel

Auch bei der Peripherie stellt die Frage nach weiterer Performance. Das Renditeniveau italienischer Staatsanleihen ist zwar relativ weiterhin attraktiv. Aber auch hier lauern Gegenwinde. Die post-pandemische Erholung in Italien, getrieben durch eine Tourismus-Erholung und Staatsausgaben, läuft aus. Mit Blick auf die Einkaufsmanager-Indizes (PMIs) sind bereits im Spätsommer dunkle Konjunkturwolken aufgezogen. So rangiert der PMI für den Dienstleistungssektor seit August 2023 unterhalb der Schwelle von 50 Indexpunkten, die historisch ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung angedeutet hat. Sein Pendant für das Verarbeitende Gewerbe ist bereits seit April 2023 auf rund 44 Punkte abgetaucht. Bislang haben die großzügigen Transfers des EU-Covid-Recovery-Fonds der Wirtschaft unter die Arme gegriffen. Doch diese Unterstützung wird Ende 2024 weniger. Nach den Covid-Sondereffekten treten somit die strukturellen Probleme Italiens wieder in den Vordergrund. Um das Risiko einer Investition in italienische Staatsanleihen zu bemessen, blicken Investoren neben strukturell bedingten Wachstumsproblemen auch auf die Staatsverschuldung. Aus dieser wird die Wahrscheinlichkeit eines Staatsbankrottes (Default) abgeleitet. Die Staatsschuldenquote (Verschuldung in Prozent des BIP) betrug im Jahr 2020 besorgniserregende 155%. Für das Jahr 2023 projiziert der Internationale Währungsfonds immer noch eine Staatsverschuldung von 144% des BIP. Laut diversen empirischen Studien wird bei einer hohen Staatsschuldenquote (einige Studien sehen das kritische Schuldenlevel bei rund 80%) das Wirtschaftswachstum negativ beeinträchtigt, u. a. durch die hohe Zinslast.

BTP-/Bund-Spread: Volatilität voraus

Die schwierige makroökonomische Lage Italiens belastete in der Vergangenheit auch immer wieder die Kurse der italienischen Staatsanleihen. Allerdings ist das Land in einer Währungsunion wie der Eurozone nicht isoliert zu betrachten. Die Bereitschaft der Staatengemeinschaft und der EZB ein Schutzschild um einzelne Staaten zu bilden, wurde seit der Staatsschuldenkrise im Euroraum 2011/12 nicht mehr getestet und dies sollte sich auch 2024 nicht ändern. Allerdings fällt eine wichtige Unterstützung für die europäischen Staatsanleihenmärkte weg: Die Reinvestitionen des Krisenankaufprogrammes der EZB (PEPP) werden wohl Ende des kommenden Jahres auslaufen. In diesem Programm hatte die EZB die Freiheit, vermehrt Anleihen einzelner Länder zu kaufen, sollten die Risikoaufschläge (Spreads) gegenüber Bundesanleihen Niveaus erreichen, die nicht fundamental abzuleiten waren. Dies geschah beispielsweise 2022 nach einer erhöhten politischen Unsicherheit rund um die Parlamentswahlen in Italien. Wir gehen davon aus, dass die EZB im Jahresverlauf 2024 Details zu dem zukünftigen Anleihebestand in ihrer Bilanz beschließen wird.1 Es dürfte wohl ein permanentes Bond-Portfolio der EZB geben. Dieses sollte neben Supras (Anleihen von staatsnahen Emittenten, beispielsweise der KfW oder von multilateralen Entwicklungsbanken), Staatsanleihen auch das Credit-Segment enthalten. Es dient zwar vor allem dem Liquiditätsmanagement der EZB, dürfte aber darüber hinaus als Absicherung gegen zu stark steigende Spreads von EWU-Peripherie-Staatsanleihen implizit fungieren.

Und nun?

Während des Übergangs vom PEPP zum permanenten Bond-Portfolio der EZB dürfte der Wind an den europäischen Staatsanleihemärkten etwas rauer werden. Denn es gibt innerhalb des EZB-Direktorium auch gewichtige Stimmen, die sich dafür aussprechen, dass die EZB wenig Spielraum hat, welche nationalen Anleihen sie wann kauft.2 Fundamentale Daten und politische Ereignisse könnten so 2024 an Einfluss auf die Staatsanleihekurse gewinnen. Ein Anstieg der Spreads italienischer Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen gleicher Laufzeit sollte unseres Erachtens regelmäßig als taktische Investmentmöglichkeit geprüft werden. Mit Blick auf die kommenden Veränderungen bei der EZB-Politik (Übergang PEPP zum permanenten Bond-Portfolio) respektive die Diskussionen hierzu, die erwartete erhöhte Emissionsflut seitens der EWU-Staaten im Jahr 2024 und das erneute Erscheinen der strukturellen Inflationstreiber am Horizont ist ein gewisser Gegenwind im Euro-StaatsanleihenSegment vorprogrammiert. Um diesen zu Beginn des neuen Jahres besser „verdauen“ zu können, haben wir Mitte Dezember die Duration in unseren Portfolien moderat unter Benchmarkniveau abgesenkt. Bei Portfolios, die auch High-Yield-Anleihen umfassen, kommt potentiell eine Credit-Barbell-Strategie mit Staatsanleihen im längeren Laufzeitenspektrum und Hochzinsanleihen mit niedriger Duration in Frage. Zur Erinnerung: eine traditionelle BarbellStrategie kombiniert üblicherweise Anleihen an entgegengesetzten Laufzeitenden der Renditestrukturkurve, um Erträge zu erzielen und gleichzeitig das Durationsrisiko herauszunehmen.

 

Quelle: https://www.hal-privatbank.com/news

 


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