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Wochenkommentar: Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten

Die wichtigsten Aktienindizes lagen in dieser Woche im Plus. In den USA waren Technologiekonzerne weiterhin sehr gefragt, und der Nasdaq übertraf den breiter gefassten S&P 500 Index um etwa einen halben Prozentpunkt. Der eher industrieorientierte Dow Jones lag etwas zurück, blieb aber dennoch im positiven Bereich. 

Interessanterweise wurde der Marktoptimismus durch eine Reihe recht schwacher Wirtschaftsberichte genährt, die von den Anlegern als Anzeichen dafür gewertet wurden, dass sich der Zinserhöhungszyklus seinem Ende nähern könnte. Dies zeigt, dass schlechte Nachrichten für die Anleger manchmal als gute Nachrichten angesehen werden. Es wird erwartet, dass die Federal Reserve die Zinssätze auf ihrer Septembersitzung unverändert lässt. Im Gegensatz zu diesen eher freundlichen Zinsprognosen müssen sich die Anleger mit den anhaltenden Sorgen über den Zustand der chinesischen Wirtschaft auseinandersetzen. Dennoch legte der EuroStoxx 50 in den letzten fünf Handelstagen um mehr als ein Prozent zu und entsprach damit der insgesamt positiven Stimmung für Aktien.

Aus sektoraler Sicht waren in den letzten Tagen Aktien aus den Bereichen Informationstechnologie, Kommunikationsdienste und zyklische Konsumgüter sehr gefragt, wobei die entsprechenden MSCI World-Sektorindizes um rund 4 % zulegten. Defensivere Titel aus den Sektoren Versorger, Basiskonsumgüter und Gesundheitswesen hinkten hinterher, da sich die Anleger mehr auf zyklische und wachstumsorientierte Titel konzentrierten.

Aktien: Zinsentwicklung bleibt ungewiss

Am vergangenen Freitag erklärte der Vorsitzende der US-Notenbank Jerome Powell auf der Konferenz der Zentralbanker und Ökonomen in Jackson Hole, dass die Fed „bereit ist, die Zinsen weiter anzuheben, wenn dies angemessen ist“, und wies gleichzeitig darauf hin, dass die Entscheidungsträger der Fed „vorsichtig vorgehen werden, wenn wir entscheiden, ob wir die Zinsen weiter anheben“.  

Alles in allem verschaffte Powell den Anlegern wenig Klarheit über den weiteren Verlauf der Zinsentwicklung. Eine Zinserhöhung durch die Fed im September ist für die Mehrheit der Anleger immer noch nicht das Basisszenario, während die Wahrscheinlichkeit einer Erhöhung im November datenabhängiger geworden ist. Ein Blick auf vergangene Zinserhöhungszyklen zeigt, dass der Abstand zwischen dem Leitzins der Fed und der Kerninflationsrate früher mehr als 100 Basispunkte größer war als heute. Dies würde darauf hindeuten, dass die Arbeit der Fed noch nicht abgeschlossen ist. 

Ein Blick auf den Wirtschaftskalender der nächsten Woche: Die Veröffentlichung der ISM-Zahlen (zur Messung der Wirtschaftstätigkeit im verarbeitenden Gewerbe) wird sicherlich die Aufmerksamkeit der Anleger auf sich ziehen. Eine wichtigere Zahl wird jedoch in der darauffolgenden Woche veröffentlicht werden: Die US-Inflationszahlen. Inflationsswaps deuten bereits auf einen Anstieg von 3,2 % auf 3,6 % hin. Damit dürfte das kurze Ende der US-Zinskurve auf einem hohen Niveau verbleiben, wobei die Renditekurve (tief) invertiert bleibt. 

In Europa scheinen sich die Anleger derzeit mehr über die schlechte Wirtschaftsleistung Deutschlands als über die Entwicklung der Spreads in den Peripherieländern Sorgen zu machen. Die Anlegerstimmung blieb trotz der vorgezogenen Parlamentswahlen in Spanien ruhig – was umso bemerkenswerter ist, als diese Wahlen im Sommer stattfanden, wenn die Marktliquidität traditionell geringer ist. Die Renditenaufschläge auf italienische Staatsanleihen, die in der Vergangenheit für Volatilität sorgten, bewegen sich ebenfalls nahe dem unteren Ende ihrer langfristigen Aufwärtstrendlinie. 

Auf den Märkten für Unternehmensanleihen nutzen die Emittenten derzeit die Gelegenheit einer relativen Ruhe, um neue Anleihen zu begeben. Da die Volatilität an den Anleihemärkten jedoch weiterhin hoch ist, kommt es bei der Emission neuer Anleihen zu einer Neubewertung. Die Renditen bestehender Anleihen müssen sich an diese neuen Umstände anpassen. Da der Oktober bekanntlich ein weiterer unbeständiger Monat ist, beeilen sich die Unternehmen, den Markt vor diesem Zeitpunkt zu erschließen.

Trotz der Abschwächung der chinesischen Wirtschaft ist die Performance der chinesischen Staatsanleihen genauso positiv wie die der benachbarten Investment-Grade-Länder. Darüber hinaus ist der Wechselkurs des Landes im Vergleich zu anderen konkurrierenden asiatischen Ländern stärker. Diese Faktoren (neben einigen anderen) deuten nicht auf kurzfristige systemische Risiken im Zusammenhang mit China hin. Die Performance von Schwellenländeranleihen ist nach wie vor robust, und mit der jüngsten Erweiterung der BRIC-Länder hat die Bedeutung der Schwellenländer definitiv erheblich zugenommen.

Quelle: https://www.bethmannbank.de/de/news-und-presse/finanzmarkt/wochenkommentar-schlechte-nachrichten-sind-gute-nachrichten-20230901.html


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